diff --git a/src/routes/texts/04_Lipp-GNM_Werkgruppen_de.md b/src/routes/texts/04_Lipp-GNM_Werkgruppen_de.md index c362f04c..9fe7c598 100644 --- a/src/routes/texts/04_Lipp-GNM_Werkgruppen_de.md +++ b/src/routes/texts/04_Lipp-GNM_Werkgruppen_de.md @@ -36,28 +36,25 @@ Wegweisend für die Verbreitung war der Fünf-Sinne-Zyklus von [Cornelis Cort](i Die Mannigfaltigkeit allegorischer Darstellungen der fünf Sinne, besonders in der flämischen und holländischen Malerei, des 17. Jahrhunderts brachte großformatige Allegorien und kleine Kabinettgemälde hervor. Cornelis de Vos, Adriaen van Ostade, Jan Miense Molenaer, Barent Fabritius, Ambrosius Francken d.J. und Herman van Aldewereld schufen derartige Bildzyklen.[^Vgl. Fünf Sinne in der Malerei 2016.] Auch die französische Stilllebenmalerei der 1620er und 1630er Jahre integrierte das Thema der Fünf Sinne. Desweiteren wurde die biblische Geschichte vom verlorenen Sohn seit dem Ende des 16. Jahrhunderts besonders in den Niederlanden mit dem der fünf Sinne verwoben. Szenen in Wirtshäusern mit musizierenden, trinkenden und rauchenden Personen illustrieren dies. Maler wie Simon de Vos und David Teniers d.J. verbreiteten dieses Bildthema. Eine weitere Gruppe von Darstellungen sind die schon genannten erzählerischen Darstellungen in Form von Genreszenen: Bis in das 19. Jahrhundert war diese Malerei, repräsentiert durch Künstler wie Philip van Dijk, Luca Giordano, Gerard de Lairesse, Jacob Duck oder Michiel Sweerts, populär. Die Sammlung Lipperheide weist ein [Gemälde](item/159) von [Joachim Creutzfelder](item/9350) auf, welches eine ungewöhnliche Kombination der fünf Sinne mit einem Familienbildnis aufweist.[^Vgl. https://refa-essays.vercel.app/05_family_portrait_de.] -# Moralische und Spottschriften -## Modekarikaturen als Bildquellen -Die Gruppe der hier aufgenommenen [modekritischen druckgrafischen Blätter](set/42017) stellen eine besondere Bildgattung mit einem spezifischen Informationswert dar. Ihre Botschaften werden witzig, sarkastisch, mal verdeckt und schwer dechiffrierbar und mal explizit und mit Unterstützung von beigefügten Texten oder in den Mund gelegten Aussagen überbracht. Die Auslegung von Karikaturen ist oft spekulativ, Modekarikaturen bergen zusätzlich die Anforderung, die dargestellten Moden in ihrer regionalen und zeitlichen Ausprägung zu identifizieren, besonders unter dem Aspekt einer meist verzerrten Darstellung.[^Vgl. Ridikül! 2003, S. 33-35. Das Lesen von Modekarikaturen muss den zeitlichen Kontext der Entstehung wie auch das Publikum einbeziehen, spekulative Interpretationen sollten mit überlieferten Schriftquellen abgeglichen werden.] Als zum einen amüsantes, aber auch als ernst zu nehmendes Zeitdokument geben sie nicht nur Auskunft über die modischen Stile der Zeit, sondern auch über die gesellschaftlichen Befindlichkeiten in Bezug auf diese. Modekarikaturen erweitern die Kenntnis über die Rezeption von Mode, über die Bewertung durch die Zeitgenossen, ihre Haltung zu Schönheitsidealen, über die zeitgenössische Lesart beispielsweise von politischen Konnotationen und über die Mode-Klientel selbst. Darüber hinaus zeigt sie auch die Sicht auf die nach der letzten Mode bekleideten Zeitgenossen. So wurden beispielsweise Trägerinnen von höfischen Hochfrisuren der 1770er Jahre, wie auf dem [Bildnis einer Frau im Kleid und Hochfrisur](item/580) zu sehen, von Seiten der Engländer Verschwendungssucht attestiert, während die französischen Modekritiker sich an den Gegensätzen *Natürlichkeit* und *Affektiertheit*, respektive *Moral versus Unmoral* rieben.[^Vgl. Ridikül! 2003, S. 34.] +# Spottschriften und moralische Botschaften +## Modekarikatur +Die Gruppe der [modekritischen druckgrafischen Blätter](set/42017) stellen eine besondere Bildgattung mit einem spezifischen Informationswert dar. Ihre Botschaften werden witzig, sarkastisch, mal verdeckt und schwer dechiffrierbar und mal explizit und mit Unterstützung von beigefügten Texten oder in den Mund gelegten Aussagen überbracht. Die Auslegung von Karikaturen ist oft spekulativ, Modekarikaturen bergen zusätzlich die Anforderung, die dargestellten Moden in ihrer regionalen und zeitlichen Ausprägung zu identifizieren, besonders unter dem Aspekt einer meist verzerrten Darstellung.[^Vgl. Ridikül! 2003, S. 33-35. Das Lesen von Modekarikaturen muss den zeitlichen Kontext der Entstehung wie auch das Publikum einbeziehen, spekulative Interpretationen sollten mit überlieferten Schriftquellen abgeglichen werden.] Als zum einen amüsantes, aber auch als ernst zu nehmendes Zeitdokument geben sie nicht nur Auskunft über die modischen Stile der Zeit, sondern auch über die gesellschaftlichen Befindlichkeiten in Bezug auf diese. Modekarikaturen erweitern die Kenntnis über die Rezeption von Mode, über die Bewertung durch die Zeitgenossen, ihre Haltung zu Schönheitsidealen, über die zeitgenössische Lesart beispielsweise von politischen Konnotationen und über die Mode-Klientel selbst. Darüber hinaus zeigen sie auch eine Sicht auf die nach der letzten Mode bekleideten Zeitgenossen, die von Nation zu Nation variiert. So wurden beispielsweise Trägerinnen von höfischen Hochfrisuren der 1770er Jahre, wie auf dem [Bildnis einer Frau im Kleid und Hochfrisur](item/580) zu sehen, von Seiten der Engländer Verschwendungssucht attestiert, während die französischen Modekritiker sich an den Gegensätzen *Natürlichkeit* und *Affektiertheit*, respektive *Moral versus Unmoral* rieben.[^Vgl. Ridikül! 2003, S. 34.] -## Fluglätter und moralische Botschaften -In den 1620er Jahren bildete sich die Gattung der sogenannten [Alamodo-Blätter](set/48313) heraus, die als Flugblätter konzipiert, meist anonym und einem bestimmten Muster folgend, die schnellen Modewandlungen anprangerten und sie karikierten. Die Kleidungsstücke im Fokus wurden abgebildet, benannt und beschrieben. Der deutsche modische Mann wurde beschrieben als „Der Aff thuts nach/ und meynt er treff es eben gut/“, wie es das Beispiel [Wie sich ein Teutscher Monsieur All’modo kleiden soll](item/18013) aus dem Jahr 1628/ 1629 zeigt. Nicht nur die schnell wechselnden textilen Roben standen im Fokus, auch die übertriebene Bartmoden, die ihren Ausdruck in der [Vielfalt von modischer Barttracht](set/56133) im 17. Jahrhundert fand, wurden als Flugblatt in Umlauf gebracht: das Blatt [Gantz New eröffneter Bartkram, Darinnen 24. Sorten allerhand zierliche wolmundirte teutsch-Frantzösische vnd dieser zeit gebräuchliche Bärte zu finden](item/56134) zeigt die Kunden bei der Anprobe der falschen Bärte; ein geschorener Pudel im Vordergrund ist als Zeichen von Eitelkeit zu lesen. +## Fluglätter +In den 1620er Jahren bildete sich die Gattung der sogenannten [Alamodo-Blätter](set/48313) heraus, die als Flugblätter konzipiert, meist anonym und einem bestimmten Muster folgend, die schnellen Modewandlungen anprangerten. Die Kleidungsstücke im Fokus wurden abgebildet und in Textform benannt. Der deutscher modische Mann des frühen 17. Jahrhunderts wird als „Der Aff thuts nach/ und meynt er treff es eben gut/“ beschrieben, wie die Blätter zu dem [Teutschen Monsieur All’modo](set/68089) zeigen. Nicht nur die schnell wechselnden textilen Roben standen im Fokus, auch die übertriebene Bartmoden, die ihren Ausdruck in der [Vielfalt von modischer Barttracht](set/56133) im 17. Jahrhundert fand, wurden als Flugblatt in Umlauf gebracht: das Blatt [Gantz New eröffneter Bartkram, Darinnen 24. Sorten allerhand zierliche wolmundirte teutsch-Frantzösische vnd dieser zeit gebräuchliche Bärte zu finden](item/56134) zeigt die Kunden bei der Anprobe der falschen Bärte; ein geschorener Pudel im Vordergrund ist als Zeichen von Eitelkeit zu lesen. -Die Diskussion über den Wandel zwischen den Generationen bilden die folgenden Blätter ab: zum einen der [Spottstreit der alten und neuen Manns- und Weibertracht](item/48349), in dem die modischen, wie auch die moralischen Implikationen verhandelt werden. Zum anderen wird auch das Thema der mangelnden bzw. fehlenden Liebe der Kinder zu den Eltern über die modische Erscheinung der Kinder versus der weniger prächtigen Erscheinung der Eltern abgebildet. Das Genre [Arme Eltern, reiche Kinder](item/10463) illustriert eine Lehre für reiche Bürger, die ihr Geld allzu großzügig an ihre Kinder weitergegeben haben und im Alter eben diese um Unterstützung bitten müssen. Die moralische Botschaft wird über das modische Erscheinungsbild transportiert, wie das Gemälde [Arme Eltern, reiche Kinder](item/348), die [Begegnung mit altem Paar](item/17930), das [gleichnamige Blatt](item/17924) von [Robert de Baudous](item/17784) oder das anonyme [gleichnamige Blatt](item/17927) zeigen. +Den Generationen- und mit ihm einhergehenden Wertewandel bilden die folgenden Blätter ab: zum einen der [Spottstreit der alten und neuen Manns- und Weibertracht](item/48349), in dem die modischen, wie auch die moralischen Implikationen verhandelt werden. Zum anderen wird auch das Thema der mangelnden bzw. fehlenden Liebe der Kinder zu den Eltern über die modische Erscheinung abgebildet. Das Genre [Arme Eltern, reiche Kinder](item/10463) illustriert eine Lehre für reiche Bürger, die ihr Geld allzu großzügig an ihre Kinder weitergegeben haben und im Alter eben diese um Unterstützung bitten müssen. Die moralische Botschaft wird über das modische Erscheinungsbild transportiert: die prachtvolle Erscheinung der jungen Generation wird der unmodischen und ärmlichen Ersching der Eltern gegenübergestellt, wie das Gemälde [Arme Eltern, reiche Kinder](item/348), die [Begegnung mit altem Paar](item/17930), das [gleichnamige Blatt](item/17924) von [Robert de Baudous](item/17784) oder das anonyme [gleichnamige Blatt](item/17927) zeigen. # Textile Opulenz: Eine Robe à la francaise ## Die Kleidform -Das [hellblaue Seidenkleid](item/19625), entstanden in der Mitte des 18. Jahrhunderts und ohne Änderungen an Schnitt oder Textil überliefert, ist eine taillierte Andrienne, die in zeitgenössischen deutschen Enzyklopädien als *Taille-Andrienne* bezeichnet wurde. Es besteht aus rund 12,5 Metern gemustertem Seidengewebe, der Seidenstoff hat eine Breite von 52,4 cm und eine zusätzliche Webkante von 0,8 cm. Die filigranen Blütenmuster sind nicht aufgestickt, sondern eingewebt. Das vorne anliegende, am Rücken mit einer teils geschlossenen Faltengruppe – das typische Merkmal einer *[robe à la française](set/48664)* - versehene Oberteil ist im Dekolleté spitz nach unten zulaufend und geöffnet. Über der langen Öffnung des Brustbereichs, der mit gechintzem Leinen verstärkt ist, wurde ursprünglich ein dreieckiger, verstiefter Vorstecker getragen. Dieser, in dem Fall des blauen Kleides nicht erhaltene Stecker, verdeckte die darunter getragene Unterkleidung und wurd mittels Nadeln am Kleiderausschnitt fixiert. Sowohl die vordere wie auch die hintere Mitte sind mit Fischbeinstäben stabilisiert und eine Schnürung in der rückwärtigen Mitte erlaubte die Anpassung an die tragende Person. Unter Kleid und Stecker wurden ein langes Leinenhemd und ein separates Schnürmieder getragen. -Die glatt eingesetzen Ärmel bedeckten den Arm bis zu den Ellbogen und enden dort in sogenannten Flügelmanschetten, frz. *manchettes à raquette* und umgangsprachlich *Flossenärmel*. Sie sind, wie der Ärmel, mit Leinen gefüttert und in den Manschetten zusätzlich mit Papier ausgesteift. Darunter schauten weiße Spitzenmanschetten hervor, wie hier im [Bild](item/623) dargestellt, die jedoch nicht überliefert sind. +Das [hellblaue Seidenkleid](item/19625), entstanden in der Mitte des 18. Jahrhunderts und ohne Änderungen an Schnitt oder Textil überliefert, ist eine taillierte Andrienne, die in zeitgenössischen deutschen Enzyklopädien als *Taille-Andrienne* bezeichnet wurde. Es besteht aus rund 12,5 Metern gemustertem Seidengewebe, der Seidenstoff hat eine Breite von 52,4 cm und eine zusätzliche Webkante von 0,8 cm. Die filigranen Blütenmuster sind nicht aufgestickt, sondern eingewebt. Das vorne anliegende, am Rücken mit einer teils geschlossenen Faltengruppe – das typische Merkmal einer *[robe à la française](set/48664)* - versehene Oberteil ist im Dekolleté spitz nach unten zulaufend und geöffnet. Über der langen Öffnung des Brustbereichs, der mit gechintzem Leinen verstärkt ist, wurde ursprünglich ein dreieckiger, verstiefter Vorstecker getragen. Dieser, in dem Fall des blauen Kleides nicht erhaltene Stecker, verdeckte die darunter getragene Unterkleidung. Er wurde mittels Nadeln am Kleiderausschnitt fixiert. Sowohl die vordere wie auch die hintere Mitte sind mit Fischbeinstäben stabilisiert und eine Schnürung in der rückwärtigen Mitte erlaubte die Anpassung an die Trägerin. Unter Kleid und Stecker wurden ein langes Leinenhemd und ein separates Schnürmieder getragen. Die glatt eingesetzen Ärmel bedeckten den Arm bis zu den Ellbogen und enden dort in sogenannten Flügelmanschetten, frz. *manchettes à raquette* und umgangsprachlich *Flossenärmel*. Sie sind, wie der Ärmel, mit Leinen gefüttert und in den Manschetten zusätzlich mit Papier ausgesteift. Darunter schauten weiße Spitzenmanschetten hervor, wie hier im [Bild](item/623) dargestellt, die jedoch nicht überliefert sind. -## Das zentrale Motiv der Blumenornamente -Die Textilien des 18. Jahrhunderts spiegeln die Vorlieben der Zeit für Gartenkultur und einzelne Blumen, wie beispielsweise für Rosen, wider. [Florale Ornamente](), [Blumen](item/10300) und Blüten waren meist in lockerer Form, aber symmetrischer Anordnung, auf dem Textil arrangiert. Die Symbolkraft von Blumen spielte eine große Rolle für den Anlass, zu dem das entsprechende Kleid getragen wurde. Auch in Portätdarstellungen deuteten Blumen, wie die [Nelke](item/45235), auf einen Anlaß, hier meist ein [Hochzeitsbildnis](item/9693), hin. -Im Fall des blauen Seidenkleides sind die floralen Elemente in den Stoff eingewebt. Ein derartiger Seidenstoff mit in Wellen angeordneten Ranken, Blumengirlanden, Blumensträußen und Spitzenbändern gehörte zu den beliebtesten Stoffmustern, die zwischen 1740 und 1775 in allen europäischen Zentren der Seidenweberei in einer Vielzahl von Variationen entworfen und hergestellt wurden. -Die spiralförmigen Blüten des Kleiderstoffs sind dem Gemeinen Jasmin *(Jasminum officinale)* nachempfunden, einer Kletterpflanze mit duftenden Blüten nachempfunden. Die Blumensträuße enthalten, mit Variationen in den Details und im Laub, oben eine Primelhybride der *Primula elatior*, in der Mitte eine Rose und zwei Rosenknospen, desweiteren unten entweder eine Nelkenart oder eine Pfingstrose *(Paeonia officinalis)*.[^Ein ähnliches Beispiel wurde in einem Musterbuch von 1764 im Victoria & Albert Museum, London, gefunden, welches 2014 von Lesley Miller veröffentlicht wurde. Das Buch wurde in Lyon für den englischen Markt zusammengestellt; dieses Muster auf Folio 33v ist ein Seidensatin mit Blumengirlanden, Blumensträußen, Spitzenbändern und Streublumen. Vgl. den Ausstellungskatalog Luxus in Seide 2018] +## Blumenornamente +Die Textilien des 18. Jahrhunderts spiegeln die Vorlieben der Zeit für Gartenkultur und einzelne Blumen, wie beispielsweise für Rosen, wider. Florale Ornamente, [Blumen](item/10300) und Blüten waren meist in lockerer Form, aber symmetrischer Anordnung, auf dem Textil arrangiert. Die Symbolkraft von Blumen spielte eine große Rolle für den Anlass, zu dem das entsprechende Kleid getragen wurde. Auch in Portätdarstellungen deuteten Blumen, wie die [Nelke](item/45235), auf einen Anlaß, hier meist ein [Hochzeitsbildnis](item/9693), hin. Im Fall des blauen Seidenkleides sind die floralen Elemente in den Stoff eingewebt. Ein derartiger Seidenstoff mit in Wellen angeordneten Ranken, Blumengirlanden, Blumensträußen und Spitzenbändern gehörte zu den beliebtesten Stoffmustern, die zwischen 1740 und 1775 in allen europäischen Zentren der Seidenweberei in einer Vielzahl von Variationen entworfen und hergestellt wurden. +Die spiralförmigen Blüten des Kleiderstoffs sind dem Gemeinen Jasmin *(Jasminum officinale)* nachempfunden, einer Kletterpflanze mit duftenden Blüten nachempfunden. Die Blumensträuße enthalten, mit Variationen in den Details und im Laub, oben eine Primelhybride der *Primula elatior*, in der Mitte eine Rose und zwei Rosenknospen, desweiteren unten entweder eine Nelkenart oder eine Pfingstrose *(Paeonia officinalis)*.[^Ein ähnliches Beispiel wurde in einem Musterbuch von 1764 im Victoria & Albert Museum, London, gefunden, welches 2014 von Lesley Miller veröffentlicht wurde. Das Buch wurde in Lyon für den englischen Markt zusammengestellt; dieses Muster auf Folio 33v ist ein Seidensatin mit Blumengirlanden, Blumensträußen, Spitzenbändern und Streublumen. Vgl. den Ausstellungskatalog Luxus in Seide 2018.] ## Die Unterkleidung -Der gemeinsam mit dem hellblauen Seidenkleid in das Germanische Museum gekommene aus zyklamrotem Seidengewebe bestehende Reifrock, frz. *[Jupe de baleine](http://objektkatalog.gnm.de/objekt/T8504)* ist ein weit ausgesteifter Unterrock, der die verschiedenen Kleidersilhouetten des Rokoko formte. Etwa knielang unterstützt die Anordnung der Reifenreihe besonders im Hüftbereich und trägt das Gewicht des darüberliegenden Kleides Die Ausformung der Silhouette mittels versteifter Unterröcke und insbesondere die dadurch entstenden aussergwöhnlichen Volumina waren Gegenstand von Spott und Kritik. Unzählige [Karikatur-Blätter](item/45219) und [Schmähschriften oder moralische Texte](item/45716) trugen jedoch auch zur Verbreitung dieser modischen Ausprägung bei. Bereits 1740 wurde der Reifrock bildlich [ins Exil](item/48668) geschickt. Die Trägerin wird neben dem oben erwähnten langen Leinenhemd noch ein diesem [Paar ähnliche seidene Strümpfe](http://objektkatalog.gnm.de/objekt/T2602), und dazu Schuhe mit einem relativ flachen Absatz getragen haben. -Bereits 100 Jahre zuvor war die Auspolsterung der Hüfte in einer Karikatur aufgenommen worden: Zwischen 1580 und 1600 entstanden, zeigt die Karikatur *[Die Eitelkeit der Frauen](item/18030)* die Ausstaffierung der Hüften mit sogenannten Hüftpolstern und ein enstsprechendes Volumen der Kleidung. +Der gemeinsam mit dem hellblauen Seidenkleid in das Germanische Museum gekommene aus zyklamrotem Seidengewebe bestehende Reifrock, frz. *[Jupe de baleine](http://objektkatalog.gnm.de/objekt/T8504)* ist ein weit ausgesteifter Unterrock, der die verschiedenen Kleidersilhouetten des Rokoko formte. Etwa knielang unterstützt die Anordnung der Reifenreihe besonders im Hüftbereich und trägt das Gewicht des darüberliegenden Kleides Die Ausformung der Silhouette mittels versteifter Unterröcke und insbesondere die dadurch entstenden aussergwöhnlichen Volumina waren Gegenstand von Spott und Kritik. Unzählige [Karikatur-Blätter](item/45219) und [Schmähschriften oder moralische Texte](item/45716) trugen jedoch auch zur Verbreitung dieser modischen Ausprägung bei. Bereits 1740 wurde der Reifrock bildlich [ins Exil](item/48668) geschickt. Die Trägerin wird neben dem oben erwähnten langen Leinenhemd noch ein diesem [Paar ähnliche seidene Strümpfe](http://objektkatalog.gnm.de/objekt/T2602), und dazu Schuhe mit einem relativ flachen Absatz getragen haben. Bereits 100 Jahre zuvor war die Auspolsterung der Hüfte in einer Karikatur aufgenommen worden: Zwischen 1580 und 1600 entstanden, zeigt die Karikatur *[Die Eitelkeit der Frauen](item/18030)* die Ausstaffierung der Hüften mit sogenannten Hüftpolstern und ein enstsprechendes Volumen der Kleidung. # Textile Opulenz: Das Wams im 17. Jahrhundert Als [Wams](set/56174) wurde ursprünglich eine Unterkleidung bezeichnet, welche seit dem hohen Mittelalter als Schutzschicht unter dem Brustpanzer, dem sogenannten Kürass, getragen wurde. Im Laufe der Zeit wurde der Wams zu einem zugeknöpften Leibrock mit Verzierungen. Im 14. und 15. Jahrhundert hatte das Wams eine enganliegende Form, einen runden Halsausschnitt oder Stehkragen. Seit dem späten 15. Jahrhundert konnte das Wams einen kleinen Schoß haben, der Ansatz der Beinkleider wurde dabei verdeckt. Spätestens im 16. Jahrhundert wurde es ein reines Obergewand mit unterschiedlichen Verzierungen und Ausformungen. Die Beliebtheit des Wams nahm im 17. Jahrhundert noch weiter zu. Es zeichnete sich durch seine langen Ärmeln, eine betonte Taille und einen ausgestellten Schoß aus. Das Wams wurde mit üppigen [Halskrausen](set/56178) und [Ärmelmanschetten](set/56179) kombiniert. Eine Eigenart dieser Oberbekleidung waren die austauschbaren Ärmel, die durch Schnürung oder Haken am sogenannten Leib unter den Achselstücken (Schulterklappen), verbunden wurden. In Folge näherte sich das Wams der Form des Brustpanzers (Kürass) an, der vorne gewölbt war un einen abstehenden Schoß hatte. Der [Plattenharnisch für das Fußturnier](item/19630) aus dem Jahr 1591 zeigt eine solche Form, wie auch die Brustpanzer in den folgenden [bildlichen Darstellungen](set/60183).[^Vgl. In Mode 2015, S.84 u. S.101.]