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%% LyX 2.3.2-2 created this file. For more info, see http://www.lyx.org/.
%% Do not edit unless you really know what you are doing.
\documentclass[naustrian]{article}
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\usepackage{babel}
\begin{document}
\title{Einführung in die Finite-Elemente-Methode}
\author{Christopher Albert}
\maketitle
\subsection*{Poisson-Gleichung als Beispiel für ein Randwertproblem}
Mit der Finite-Elemente-Methode (FEM) lassen sich Randwertprobleme
partieller Differentialgleichungen (PDEs) auf nahezu beliebig geformten,
endlichen Geometrien numerisch lösen. Als Beispiel betrachten wir
die Potentialgleichung (Poissongleichung, per Konvention mit negativem
Vorzeichen) in zwei Dimensionen $\boldsymbol{r}=(x,y)$,
\begin{align}
-\Delta u(\mathbf{r}) & =q(\mathbf{r}).\label{eq:Poisson}
\end{align}
Sie tritt z.B. in Elektrostatik und Elastizitätstheorie auf und besitzt
typische Merkmale eines Randwertproblems:
\begin{itemize}
\item Elliptische partielle Differentialgleichung 2. Ordnung
\item Mögliche Randbedingungen (pro Randstück immer nur eine auf einmal):
\begin{itemize}
\item 1. Randwertproblem (Dirichlet): Die Werte $u(\mathbf{r})$ werden
am Rand vorgegeben. In der Elektrostatik (Potential $u(\mathbf{r}):=\phi(\mathbf{r})$
und $q(\mathbf{r})=-\rho(\mathbf{r})/\varepsilon$) wird am Rand eine
Spannung (Randpotential) angelegt.
\item 2. Randwertproblem (Neumann): Die Normalableitungen $\frac{\partial u(\mathbf{r})}{\partial n}=\mathbf{n}\cdot\nabla u(\mathbf{r})$
werden vorgegeben. In der Elektrostatik entspricht das der Normalkomponente
des elektrischen Feldes $\mathbf{E}=-\nabla\phi$ und damit einer
Randladungsdichte.
\item Gemischtes Randwertproblem (Robin): Eine Linearkombination aus Dirichlet-
und Neumann-Problem $a(\mathbf{r})u(\mathbf{r})+b(\mathbf{r})\frac{\partial u(\mathbf{r})}{\partial\mathbf{n}}=c(\mathbf{r})$
wird am Rand vorgegeben.
\end{itemize}
\end{itemize}
\subsection*{Schwache Form der Poisson-Gleichung}
Für die numerische Behandlung muss die Gleichung in Integralform gebracht
werden. Das geschieht, indem man in (\ref{eq:Poisson}) alles auf
die linke Seite bringt, mit einer beliebigen Testfunktion $v(\mathbf{r})$
multipliziert und über das betrachtete Gebiet $\Omega$ integriert,
\begin{align}
-\int_{\Omega}v(\boldsymbol{r})\Delta u(\mathbf{r})\,d\Omega & -\int_{\Omega}v(\boldsymbol{r})q(\mathbf{r})\,d\Omega=0.
\end{align}
Das 2-dimensionale Volumenelement ist hier $d\Omega=dx\,dy$. Da wir
$v(\boldsymbol{r})$ beliebig wählen können, ist es naheliegend, dass
diese Form äquivalent zu Gleichung~(\ref{eq:Poisson}) ist. Das kann
unter entsprechenden Voraussetzungen an die Funktionen $u$ und $v$
bewiesen werden, wobei auf die mathematische Literatur zu dem Thema
verwiesen sei. Die Anwendung der ersten Greenschen Identität (mehrdimensionale
partielle Integration),
\begin{align}
\int_{\Omega}v\Delta u(\mathbf{r})+\nabla v(\mathbf{r})\cdot\nabla u(\mathbf{r})\,d\Omega & =\int_{\Gamma}v(\mathbf{r})\frac{\partial u(\mathbf{r})}{\partial\mathbf{n}}\,d\Gamma
\end{align}
führt zur Reduktion auf 1. Ableitungen und zur automatischen Berücksichtigung
von Neumann-Randwerten auf dem Rand des Gebietes $\Gamma$. Die schwache
Form kann nach Vorzeichenwechsel schließlich als
\begin{align}
\int_{\Omega}\nabla v(\mathbf{r})\cdot\nabla u(\mathbf{r})\,d\Omega-\int_{\Omega}v(\boldsymbol{r})q(\mathbf{r})\,d\Omega+\int_{\Gamma}v(\mathbf{r})\frac{\partial u(\mathbf{r})}{\partial\mathbf{n}}\,d\Gamma & =0
\end{align}
geschrieben werden. Wird der letzte Term nicht angegeben, entspricht
die schwache Form einem homogenen Neumann-Problem mit verschwindender
Normalableitung $\frac{\partial u(\mathbf{r})}{\partial\mathbf{n}}=0$
am Rand. Achtung: Bei Neumann-Problemen muss immer (auch in der ursprünglichen
Form) zusätzlich noch eine Kompatibilitätsbedingung
\begin{align}
-\int_{\Gamma}\frac{\partial u(\mathbf{r})}{\partial n}d\Gamma & =\int_{\Omega}q(\mathbf{r})d\Omega
\end{align}
erfüllen, die mit der Poisson-Gleichung aus dem Satz von Gauß folgt
(entsprechend \emph{elektrischer Fluss = Gesamtladung im Inneren}).
Dirichlet-Randwerte werden gesondert behandelt (z.B. Penalty-Methode).
Da sie auf anderem Weg auch aus dem Variationsproblem der Minimierung
eines Energiefunktionals folgt, wird die schwache Form auch Variationsform
genannt. In diesem Sinn kann $v(\boldsymbol{r})=\delta u(\boldsymbol{r})$
auch als Variation der Funktion $u(\boldsymbol{r})$ gesehen werden
(siehe Literatur für Details). Bei der Poisson-Gleichung wird beispielsweise
tatsächlich die physikalische Gesamtenergie minimal, das Konzept lässt
sich aber auch verallgemeinern. Die \textquotedbl starke\textquotedbl{}
Form, also die ursprünglichen partielle Differentialgleichung ist
im Bezug auf diese Form analog zu sehen zu den Euler-Lagrange-Gleichungen
eines Variationsproblems im Rahmen der Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichungen
($\rightarrow$ klassische Mechanik).
\subsection*{Diskretisierung mit dem Ritz-Galerkin-Verfahren}
Die schwache Form war der erste Schritt auf dem Weg zur numerischen
Behandlung der PDE. Auf den ersten Blick erscheint das widersinnig,
da wir jetzt ja sogar zwei Funktionen $u(\boldsymbol{r})$ und $v(\boldsymbol{r})$
haben, die wir jeweils aus einem unendlichdimensionalen Funktionenraum
wählen können. Um das Problem behandelbar zu machen, wählen wir einen
endlichdimensionalen Unterraum, in dem wir die Funktionen näherungsweise
darstellen. Das kann z.B. der Raum der Funktionen $\sin(k_{x}x+k_{y}y)$
mit diskreten und nach oben begrenzten $k_{x},k_{y}$, oder wie im
Fall der klassischen FEM der Raum der lokalen Polynomfunktionen, z.B.
$a_{0i}+a_{1i}x+a_{2i}y$, wobei die Koeffizienten $a$ auf jedem
Element $i$ (z.B. Dreiecke in 2D) des Rechengitters verschieden sein
können, aber Übergangsbedingungen erfüllt sein müssen.
Die Darstellung von Funktionen erfolgt als Linearkombination über
Basisfunktionen $\varphi_{k}(\boldsymbol{r})$, also
\begin{align}
u(\boldsymbol{r}) & \approx\sum_{k=1}^{N}u_{k}\varphi_{k}(\boldsymbol{r}),
\end{align}
Wobei $N$ die Dimension des Unterraums ist. Werden auch die Testfunktion
$v(\boldsymbol{r})$ aus diesem Raum gewählt, nennt man die Methode
\emph{Ritz-Galerkin-Verfahren.}\footnote{Nach Walter Ritz und \textcyr{\CYRB\cyro\cyrr\cyri\cyrs} \textcyr{\CYRG\cyrr\cyri\cyrg\cyro\cyrr\cyrsftsn\cyre\cyrv\cyri\cyrch}
\textcyr{\CYRG\cyra\cyrl\cyryo\cyrr\cyrk\cyri\cyrn}, dessen Nachname
eigentlich \emph{Galjorkin} ausgesprochen wird.} Um den kompletten Unterraum aufspannen, genügen $N$ Testfunktionen,
die wir direkt mit den Basisfunktionen gleichsetzen, $v_{j}(\boldsymbol{r})=\varphi_{j}(\boldsymbol{r})$.
Mit diesem Ansatz verwandelt sich die schwache Form der Poisson-Gleichung
in
\begin{align}
\sum_{k=1}^{N}\int_{\Omega}\nabla\varphi_{j}(\mathbf{r})\cdot(u_{k}\nabla\varphi_{k}(\mathbf{r}))\,d\Omega-\sum_{k=1}^{N}\int_{\Omega}\varphi_{j}(\mathbf{r})q_{k}\varphi_{k}(\mathbf{r})\,d\Omega+\sum_{k}^{\mathrm{Rand}}\int_{\Gamma}\varphi_{j}(\mathbf{r})u_{k}\frac{\partial\varphi_{k}(\mathbf{r})}{\partial\mathbf{n}}\,d\Gamma & =0,
\end{align}
wobei wir Konstanten $u_{k}$ und $q_{k}$ aus Ableitungen und Integralen
herausziehen können. Die verbleibenden Integralausdrücke sind nur
über die $\varphi_{j}(\mathbf{r})$, $\varphi_{k}(\mathbf{r})$
\begin{align}
\sum_{k=1}^{N}\,A_{jk}u_{k} & =\sum_{k=1}^{N}M_{jk}\,q_{k}-\sum_{k}^{\mathrm{Rand}}D_{jk}u_{k}=b_{j}
\end{align}
mit Matrizen
\begin{align}
A_{jk} & =\int_{\Omega}\nabla\varphi_{j}(\mathbf{r})\cdot\nabla\varphi_{k}(\mathbf{r})\,d\Omega,\qquad M_{jk}=\int_{\Omega}\varphi_{j}(\mathbf{r})\varphi_{k}(\mathbf{r})\,d\Omega,\qquad D_{jk}=\int_{\Gamma}\varphi_{j}(\mathbf{r})\frac{\partial\varphi_{k}(\mathbf{r})}{\partial\mathbf{n}}\,d\Gamma.
\end{align}
Das ist ein $N$-dimentionales lineares Gleichungssystem $A\boldsymbol{u}=\boldsymbol{b}$
für den unbekanntem Vektor $\boldsymbol{u}$ und bekanntem Vektor
$\boldsymbol{q}$ bzw. bekannten $D_{jk}u_{k}$ aus Neumann-Randwerten
im Vektor $\boldsymbol{b}$ auf der rechten Seite. Entsprechend dem
Ursprung der FEM in der Elastomechanik wird $A$ die Steifigkeitsmatrix,
und $M$ die Massenmatrix genannt. Da die Funktionen $\varphi_{j}(\mathbf{r}),\,\varphi_{k}(\mathbf{r})$
nur an Elementgrenzen im Gitter lokal überlappen, sind diese Matrizen
dünn besetzt (\emph{sparse}) und das lineare System kann numerisch
(Direkte, z.B. LU-Zerlegung, für kleine Systeme, iterative Verfahren
wie GMRES für große) effizient gelöst werden.
\subsection*{Vektorwertige Gleichungen}
Um in Elektrodynamik, Fluidmechanik und Elastodynamik auftretende
Gleichungen der Form
\begin{align}
\text{z.B.}\quad\nabla\times\nabla\times\boldsymbol{A} & =\boldsymbol{J}\quad\text{oder}\quad\nabla\cdot\boldsymbol{v}=0
\end{align}
zu lösen, ist es nicht ideal, Vektorfelder kompenentenweise in $A_{x},\,A_{y},\,A_{z}$
mit gewöhnlichen Ansatzfunktionen zu behandeln. Stattdessen sind vektorwertige
Ansatzfunktionen geeignet, welche die Stetigkeitsbedingung von Parallel-
bzw. Normalkomponenten von Vektorfeldern korrekt wiedergeben. Stichworte
hierzu sind \emph{Edge Elements, Vector Finite Elements }insbesondere
Elemente benannt nach\emph{ Raviart-Thomas, Nédélec }und \emph{Brezzi-Douglas-Marini.
}Die Sprache \emph{FreeFEM++} verfügt über Implementierungen solcher
Elemente in 2D und 3D in erster und teilweise zweiter Ordnung (RT0,
RT0Ortho, RT1, BDM0).
\end{document}