diff --git a/_posts/2022-04-07-formalia.md b/_posts/2022-04-07-formalia.md index 9c8295e49362..e73395190425 100644 --- a/_posts/2022-04-07-formalia.md +++ b/_posts/2022-04-07-formalia.md @@ -10,26 +10,26 @@ categories: academic-practices Grundsätzlich sollte Dein Text gut lesbar gestaltet sein. Typographie dient (für uns) genau nur diesem einen Zweck: die Lesbarkeit zu optimieren. Hierfür gibt es eine Reihe an Formalia, die sich schlichtweg im Laufe der Zeit bewährt -haben. Die wichtigste Regel ist, daß ein Text mit einer Länge von 60-80 Zeichen +haben. Die wichtigste Regel ist, daß ein Text mit einer Laufbreite von 60-80 Zeichen pro Zeile das Auge am wenigsten ermüdet. Alles weitere kann daraus, ein DIN -A4-Blatt als Ausgangsmedium vorausgesetzt, abgeleitet werden: +A4-Blatt als Ausgabemedium vorausgesetzt, abgeleitet werden: - Schriftgröße: 11 pt; - Zeilenabstand: mind. 13 pt; - linker Rand: 3 cm; rechter Rand: 3 cm; unten: 3 cm; oben: 2 cm. Mit diesen drei Einstellungen ist der sogenannte Satzspiegel, also das -Rechteck, was auf dem Papier grau mit weißem Rand erscheint, definiert: Der +Rechteck, welches auf dem Papier grau mit weißem Rand erscheint, definiert: Der Text läuft mit einem idealen Zeilensprung und wirkt ein wenig der Schwerkraft entgegen, ermüdet die Augen also nicht in Richtung unteren Blattrand. Zweitens sollte die Binnengliederung des Textes klar erkennbar sein, denn diese -bildet die Logik der Argumente ab. Absätze im Text entsprechen argumentativen -Sinneinheiten und steigern damit die Lesbarkeit. Entsprechend besteht im -Regelfall ein Kapitel aus mehreren Seiten, eine Seite aus mehreren Absätzen, -ein Absatz aus mehreren Sätzen. Sätze stellen Argumente dar. Absätze verbinden -diese Argumente zu einer Sinneinheit. Kapitel wiederum erörtern eine -Fragestellung anhand dieser verschiedenen Sinneinheiten. +bildet die Logik der Argumentation ab. Absätze im Text entsprechen +argumentativen Sinneinheiten und steigern damit die Lesbarkeit. Entsprechend +besteht im Regelfall ein Kapitel aus mehreren Seiten, eine Seite aus mehreren +Absätzen, ein Absatz aus mehreren Sätzen. Sätze bilden die Argumention ab. +Absätze verbinden die Argumentation zu einer Sinneinheit. Kapitel wiederum +erörtern eine Fragestellung anhand dieser Sinneinheiten. Der Rest ist dann Kleinkram, also nicht mehr essentiell wichtig für die Logik eines Textes, aber doch hilfreich im Sinne einer guten Lesetypographie: diff --git a/_posts/2024-01-15-oranienburg-003.md b/_posts/2024-01-15-oranienburg-003.md new file mode 100644 index 000000000000..e652df75fb67 --- /dev/null +++ b/_posts/2024-01-15-oranienburg-003.md @@ -0,0 +1,113 @@ +--- +layout: distill +title: Oranienburg-Post Nr. 3 +date: 2024-01-14 23:09:00 +description: Monazitbaum +tags: filtering +categories: research +hidden: false + +authors: + - name: Alwin Cubasch + url: "https://www.matters-of-activity.de/en/members/2431/alwin-j-cubasch" + affiliations: + name: HU Berlin + - name: Christian Kassung + url: "http://www.wissensgeschichte.de" + affiliations: + name: HU Berlin + - name: Lena Schubert + url: "https://www.matters-of-activity.de/en/members/8994/lena-schubert" + affiliations: + name: HU Berlin + +toc: + - name: Kommodifizierung + - name: Monazitbaum + - name: Produktionsabläufe + +_styles: > + .fake-img { + background: #bbb; + border: 1px solid rgba(0, 0, 0, 0.1); + box-shadow: 0 0px 4px rgba(0, 0, 0, 0.1); + margin-bottom: 12px; + } + .fake-img p { + font-family: monospace; + color: white; + text-align: left; + margin: 12px 0; + text-align: center; + font-size: 16px; + } +--- + +## Kommodifizierung + +Wie genau hat die Kommodifizierung von Radioaktivität, also die Verwertung der +Strahlung, in den Oranienburger Auerwerken zwischen 1926 und 1945 funktioniert? +Diese Leitfrage führte das Team von "Filtering Oranienburg" im Jahr 2023 in +verschiedene Archive in Berlin, Potsdam und Wien. Ein Dokumentenfund stach +dabei besonders hervor: die Grafik eines Produktbaums, vermutlich aus den +1930ern, ausgegeben von der Auergesellschaft, um die eigene Produktionspalette +darzustellen. Betrachtet man die Darstellung, fällt sofort auf, dass die im +vorherigen Blogbeitrag beschriebenen Glühstrümpfe, hier oben links, bei Weitem +nicht die einzigen Erzeugnisse waren. Vielmehr stellt sich die Auergesellschaft +mit dieser Grafik auch als Herstellerin von Feuerzeugen, Medizinprodukten und +der radioaktiven Zahncreme Doramad dar. Sie bewirbt aber auch ein breites +Sortiment chemischer Präparate. Interessanterweise wird auch der +zugrundeliegende Rohstoff abgebildet, Monazitsand, hier in Form eines +Häufchens, aus dem das Produktgezweige herauswächst. + +
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+ Monazitsand und die radioaktive Zahncreme "DORAMAD". +
+ +## Monazitbaum + +Die Grafik ist deswegen so prägnant, weil sie Vieles unsichtbar lässt. Doch +unser Projekt konnte durch die Forschungen der letzten Monate einiges +rekonstruieren, was dieser Produktbaum nicht zeigt: Tonnen von Monazitsand, die +aus verschiedenen Abbaugebieten weltweit über Jahrzehnte hinweg via Hamburg +nach Oranienburg verschifft und vor Ort in gigantischen Schuppen gelagert +wurden. Die Filtertechnologien, die vor Ort genutzt wurden, um den Monazitsand +zu Thorium und anderen seltenen Erden zu verarbeiten. Das Stoffwissen hinter +diesen Vorgängen, wie auch die Entwicklung verschiedener Beleuchtungs- und +Medizinprodukte. Die Arbeiter:innen der Auerwerke, ebenso wie der Namensgeber +Carl Auer von Welsbach, ein Chemiker und Unternehmer, der Grundlagenforschung +mit Produktentwicklung verband und beim Einstieg in den deutschen Markt schon +auf Firmengründungen in Österreich zurückblicken konnte. + +All diese komplexen Strukturen bleiben in der Grafik unsichtbar. Ein besonders +wesentliches Charakteristikum des Produktbaums wird vor allem im Untertext der +Darstellung deutlich: seine Radioaktivität. In der Abbildung soll die Strahlung +vermutlich durch die gezackten Aureolen angedeutet werden, welche die +fraglichen Produkte umgeben. Unsichtbar bleiben bei dieser grafischen +Beschwörung radioaktiver Potenziale die toxischen Auswirkungen der Produktion: +die säurehaltigen Abwässer, die jahrzehntelang in großen Mengen in +Oranienburger Gewässer eingeleitet wurden; die vereinzelten, teils tödlichen +Erkrankungen von Werksarbeiter:innen, womöglich aber auch die ungeklärten +Krebsfälle bei einigen Oranienburger Bürger:innen ab den 1980ern -- und mit +Sicherheit die bis heute erhöhten Strahlungswerte in Oranienburg. + +## Produktionsabläufe + +Während wir diese Umwelten und Auswirkungen der Produktion durch die +gesammelten Archivalien räumlich und zeitlich skizzieren können, bleibt +weiterhin unklar, wie die Filtertechnologien vor Ort genau funktionierten. Wird +es uns im kommenden Jahr möglich sein, die Produktionsvorgänge zu +rekonstruieren -- ausgehend von Bauplänen und technischer Literatur, aber auch +durch den Vergleich mit der Auerfabrik in Österreich? Auch viele weitere +Aspekte der Oranienburger Kommodifizierung von Radioaktivität bleiben ungeklärt +und werden uns in den kommenden Monaten weiter beschäftigen: wie hängen +chemische Forschung und chemische Produktion genau zusammen? Was wissen heutige +Oranienburger:innen über die Auerwerke -- und welche Art von +Erinnerungsgestaltung wird dieser durch den Nationalsozialismus, aber ebenso +durch die frühe Globalisierung und den Kalten Krieg geprägten Geschichte +gerecht? diff --git a/assets/img/posts/monazitsand.jpg b/assets/img/posts/monazitsand.jpg new file mode 100644 index 000000000000..8654b72ba4de Binary files /dev/null and b/assets/img/posts/monazitsand.jpg differ